WM-Finale- Die Nachlese

Zidane

Die Nachlese des gestrigen Finales kann unmöglich mit einem anderen Namen beginnen. Meine Bewunderung für diesen Spieler ist am Tag danach nicht geringer geworden. Vielleicht ändert sich das noch. Dennoch: Sein Spiel gestern hatte einen magischen Moment, diese unglaublich coole Art und Weise den Elfmeter zu verwandeln, herrlich ruhig inmitten all der Nervösen. In den folgenden rund 100 Minuten, die Zinedine dann noch auf dem Platz blieben, gelang ihm wenig, der Mann war sichtlich genervt von Gattuso. Thierry war es, der den Franzosen in der zweiten Halbzeit in der Offensive das Übergewicht verschaffte, mit einem soliden, aber letztlich wie stets torungefährlichen Malouda und einem spät aufgewachten Ribery.

Und dann der Kopfstoß. Monumental in Dummheit, aber doch wieder einzigartig. Klar und präzise in der Ausführung. Wer dem Boxen Eleganz zusprechen kann kann (und wer könnte das nicht, wenn er Alis Niederschlag gegen Foreman beim Rumble in the Jungle noch einmal sieht, den langsamen Halbkreis, den Foreman im Fallen beschreibt, wie Ali einen weiteren Schlag gegen Foreman zurückzieht, weil er erkennt, dass er seinen Gegner besiegt hat, wie Ali beiseite tritt, um dem Fall kein Hindernis zu sein), wer das kann, der muß auch zu diesem Kopfstoß mehr sagen, als "der Idiot". Das war kein gockelhaftes Imponiergehabe wie bei Figo, pubertär-dümmliches Nachtreten wie bei Rooney, kein stumpfes Holzhacken à la Bouhlarouz und kein verstecktes Treten, Zerren, Kneifen und Ellebogenschlagen wie es so viele so gut beherrschen (und in den Reihen der Italiener durften gestern einige von ihnen - De Rossi, Materazzi und Gattuso - ran). Selbst dieser Aktion haftete für mein Empfinden noch etwas Unverwechselbares, Interessantes, Großes an. Den Kopf vorgestreckt, wie ein Stier, genau in die Mitte dieses plumpen und, seien wir ehrlich, unausstehlichen Riesenfleischbergs mit Ekel-Tatoos namens Materazzi (quel nom!). Das war kein Foul, sondern eben eine Tätlichkeit mit Stempel und Siegel, ohne Umschweife, von schlichter Klarheit und Stringenz, ohne Umschweife und dabei nicht einmal gesundheitsgefährdend. Natürlich: Falsche Sportart, rote Karte, in einem Mannschaftssport normalerweise unverzeihbar, weil ein Bärendienst fürs eigene Team, in diesem Fall m.E. für den Spielausgang aber irrelevant, bei einem normalen Maß (nicht Cufre-Einheiten, immer noch ein Skandal!) sechs Spiele Sperre und eine hohe Geldstrafe. Dennoch: Wohl kein Moment der nun vergangenen WM hatte diese Tiefe, denn dort zeigte sich, was man eigentlich nicht wahrhaben möchte: Auch dem Schlechten oder Bösen kann ästhetischer Wert, ja Schönheit innewohnen. Auch wenn man ruhiger schliefe, wenn das nicht der Fall wäre. Und auch wenn das Böse dadurch nicht weniger verurteilenswert wird.

Was ich an dieser Aktion aber auch mochte, war, dass sie zeigte, wie wenig Zidane an das Pflegen der eigenen Legende dachte. Der Kerl war 100 Prozent Gefangener der Spielsituation. Viel zu oft hat man den Eindruck, ein Spieler will gut aussehen, denkt noch bei Wälzen auf dem Boden, bei dem angeblich fairen Shake-hands daran, wie es in den Fernsehkameras wohl aussehen würde. Nicht Zidane. Hätte Zidane nur einen Moment nachgedacht... hat er nicht, und Fussball spielt man zwar auch von Zeit zu Zeit mit dem Kopf, aber eher nicht mit seinen denkenden Teilen. Zidane hat in seinen Jahren als Volksheld nie diese Rolle eingefordert. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, ein Heißsporn zu sein, weil er dieses Spiel zu sehr liebt. "Fussballphilosoph" war stets ein Medienetikett, Produkt journalistischer Einfaltslosigkeit. Deshalb: Danke, Danke für die schönen und auch die dummen Momente. Vielleicht kann ja nur wer solche Elfmeter in einem WM-Finale schießt, auch solche Kopfstöße vollführen.

Zuletzt noch Folgendes: Das Spiel hat den Franzosen, abgesehen von ihrem unsäglichen Suppenkasper im Tor, dennoch ihr Trainer verloren. Wie man nicht erkennen kann, dass es eines zweiten Stürmers bedurfte, um Gegenspieler in der Abwehr zu binden, bleibt mir unbegreiflich. Der Ausfall Vieras wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Trezeguet zu bringen, jede weitere Minute danach war quälend, weil die Franzosen so gut spielten, aber in dem ihnen aufgezwungenen Konzept keine wirkliche Chance hatten, zum Abschluss zu kommen. Der Kopfball von Zidane zeigte das dann geradezu mit höhnischer Deutlichkeit: Nun endlich mußte sich die Abwehr auf zwei Stürmer konzentrieren, so dass ein Nachrücken von Mittelfeldspielern auch für Gefahr sorgen konnte. Entsetztlicher, abstoßender, widerlicher Domenech, der im übrigen immer nur durch dümmliche Handbewegungen gen Schiedsrichter auffiel, fast immer zu Unrecht, aber stets verratend, dass er es ebenso als persönliche Beleidigung auffäßt, wenn gegen sein Team eine Entscheidung fällt wie wenn einer seiner Spieler das Tor nicht trifft. Ein unerträglicher, verzagter Kleingeist in jeder Hinsicht.

Und der Weltmeister: Mit einer banalen Vorstellung, ohne Vision, Idee und Glanz zum Titel. Der Rest ist Schweigen.

"Das Spiel hat den Franzosen, abgesehen von ihrem unsäglichen Suppenkasper im Tor, dennoch ihr Trainer verloren. "

interessant^^

Was hab ich ansonsten zu sagen? Wenn man nun genau wüsste, warum Zidane wirklich ausgetickt ist auf dem Feld, könnte ich seine Reaktion sicher ganz und gar nachvollziehen.

Zu der Sache mit dem Image pflegen: Der Typ is wenigstens echt.

also für den beitrag von mr.pink...besser hätte man es nicht formulieren können....


zidane ist ein echter weltklassespieler...

Erstmal *wildapplaudiert* bei dem Beitrag von Mr. Pink.

So und da ja nun dank Lippenleser bekannt ist, dass Materazzi Zidane aufs mieseste provoziert hat, bin ich der Meinung sowas sollte bestraft werden. Aber mich fragt ja bekanntlich keiner.


Achja, noch nen Kommentar zu Figo: Als Frau sei mir erlaubt zu sagen, dieser Mann ist nur noch für den Trikot-Tausch zu gebrauchen.